PD Dr. med. Monika Ridinger

Meine Botschaft: ADHS ist ein So-Sein.
PD Dr. med. Monika Ridinger
Psychiatrie und Psychotherapie FMH
Buchautorin

Meine Botschaft: ADHS ist ein So-Sein. Seit den 90er Jahren durfte ich klinische und wissenschaftliche Erfahrungen zu ADHS im Erwachsenenalter sammeln und habe einige Publikationen zum Thema veröffentlicht. Eine der ersten Botschaften in meiner ADHS-Sprechstunde ist: Das Gehirn funktioniert bei ADHS anders. Betroffene müssen dies verstehen und akzeptieren. Erst dann wird es möglich, ein Selbst-Bewusstsein zu entwickeln und einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Natürlich sind dies Anpassungsleistungen, die jeder Mensch im Laufe seines Lebens vollzieht; beim ADHS treten die Veränderungen jedoch so frühzeitig und vielseitig in Erscheinung, dass das Anders-Sein alle Lebensbereiche und Lebenszeiten durchzieht. Allein dies rechtfertigt es, ADHS als Störungsbild zu definieren. Hauptsymptome sind die mangelnde Reizfilterung und Impulskontrolle. Gedanken müssen gedacht, Geräusche gehört werden und es ist schwer bis unmöglich, die Informationsfülle zu stoppen. Quälend sind auch die intensiven Gefühle, die aus dem Feedback von anderen Menschen entstehen: ADHS macht zum «Fähnchen im Winde». Dies alles gilt es, steuern zu lernen. Auch das ist eine normale Anpassungsleistung im Entwicklungsverlauf aller Menschen. Bei ADHS braucht es hierzu spezifische Strategien.

Medikamente können es erleichtern, diese Strategien der Selbststeuerung aufzubauen und einen Platz in der Gesellschaft einzunehmen. Somit sind Therapien nötig, obwohl ADHS eine der wenigen Erkrankungen ist, die wir mit Medikamenten ursächlich behandeln können. Und am Ende bleibt das So-Sein: Viele Gedanken zu denken und leicht abgelenkt zu sein, schnell für etwas begeistert und schnell gelangweilt zu sein, hohe Überwindungskraft für Dinge zu brauchen, die zur Routine gehören, im Chaos schnell und unkompliziert zu funktionieren, Menschen mitzureissen und sensibel auf deren Feedback zu reagieren…. Zu allen Zeiten wurden Menschen mit ADHS-spezifischen Symptomen in die Gesellschaft integriert. Selbsthilfe, Coaching, Informationsplattformen und gut geschulte professionelle Helferinnen und Helfer sind die Antworten unserer Zeit auf diesen Bedarf. Dabei sind es nicht die Anderen, die ein Verständnis für ADHS aufbringen und aufbringen müssen, sondern es sind die Betroffenen mit ADHS, die aktiv ihr So-Sein anerkennen und die Plätze einnehmen lernen können und müssen, die ihnen eine hohe Lebensqualität ermöglichen. Denn eines ist sicher: Qualität und Zufriedenheit ergeben sich hauptsächlich aus der Selbstakzeptanz und der Zuversicht, das eigene Leben meistern zu können.